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Geschichte

Die Chronik der Stadtkapelle

 

Eine Institution wird gegründet

Eine eigene Musikkapelle – das ist es, was der Stadt Hallenberg ganz einfach fehlt. So oder ähnlich muss Hubert Guntermann gedacht haben, ein Zugereister, der nach Hallenberg geheiratet hatte und der nicht nur musikalische Kenntnisse, sondern günstigerweise auch gleich die Instrumente mitbrachte. Ziemlich schnell gelang es ihm, sieben gleichgesinnte Männer des kleinen Ortes an der Nuhne zu begeistern, und so beschloss man gemeinsam, eine Musikkapelle – ach was, die Musikkapelle zu gründen. Am 18. Mai 1902 folgten aus Worten Taten: Die Statuten des Vereins wurden aufgesetzt und von den acht Gründern unterschrieben.

 

Zum Zweck des Vereins hieß es damals:

§ 1 der Statuten:

„Zweck des Vereins”

“Der Verein hat den Zweck, durch öftere Zusammenkunft der Mitglieder, die Musik sowie den nötigen Anstand zu pflegen, die Freundschaft zu binden und das Leben der Mitmenschen zu erheitern.“

 

Ein Satz wie in Stein gemeißelt. Und ein Satz, den nicht nur Hubert Guntermann, Philipp Anthe, Jakob Müller, Bernhard Schnurbusch, Peter Müller, Hermann Mettken, Anton Mause und Eduard Runge mit großer Leidenschaft Folge leisteten, sondern im Laufe der nächsten 123 Jahre viele, viele weitere Musikerinnen und Musiker.

 

Die ersten Gehversuche

Es waren typische Startprobleme, die den jungen Pionieren das Leben zu Beginn schwer machten: wenig Erfahrung, karge Musikkenntnisse und höchst überschaubare finanzielle Mittel. Doch “Geht nicht” gab’s nicht, und nach fleißiger Probenarbeit konnten unsere Visionäre schon bald an kirchlichen Festen, Trauerveranstaltungen, Ausflügen und Schützenfesten mitwirken. Dass dabei auch Auftritte in die Hose … nein, sagen wir lieber von mäßigem Erfolg waren, soll hier nicht verschwiegen werden. Doch der zusammengeworfenen Haufen ließ sich nie entmutigen, und mit viel Beharrlichkeit und Disziplin hatte es die Combo spätestens in den zwanziger Jahren geschafft, mit seinen mittlerweile routinierten und höherklassigen Darbietungen die Menschen zu begeistern. Bis in dieses extrovertierte Jahrzehnt stand Gründer Hubert Guntermann dem Orchester als Leiter vor.

 

Das 25-jährige Gründungsfest – so belegt es ein erhaltenes Originalplakat – fand aus irgendeinem heute schwer erfindlichen Grund mit nicht unerheblicher Verspätung statt, nämlich erst im Jahr 1929. Die mittlerweile zwölf Musiker boten den Gästen des Festes offenbar eine sehr gelungene Vorstellung, sodass die Presse angetan resümierte:

„Klein an Zahl, gering an Mitteln und arm an musikalischen Kenntnissen, traten damals einige musikliebende Männer und Jünglinge zu einem Musikverein zusammen. Weder Mühen und Sorgen noch Misserfolge schreckten den ersten und langjährigen Dirigenten Hubert Guntermann und seine Getreuen ab, und so haben sie es geschafft, dass der Verein heute geachtet von der ganzen Gemeinde und beachtet von der näheren und weiteren Umgegend dasteht. Eine allgemeine Anteilnahme an diesem Feste wird ihnen die größte Freude sein und die beste Aufmunterung, auf der betretenen Bahn mutig weiter zu schreiten."

Als Dirigent Hubert Guntermann sein Amt nach Jahren und Jahrzehnten nicht mehr ausüben konnte, ging damit eine erste Ära zu Ende. Für ihn übernahm Lehrer Karl Hahne bis 1932 die Leitung der Kapelle, und nach ihm war Hugo Hartmann fast 30 Jahre lang Dirigent und Kapellmeister. Aus Erzählungen geht hervor, dass der Verein zu seiner Zeit knapp 18 aktive Mitglieder zählte.

 

​Auch in Kriegszeiten nicht kleinzukriegen

Der Zweite Weltkrieg, der so unendlich viel Leid über die Menschen brachte, forderte auch von der Hallenberger Musikkapelle große Opfer. Neun seiner Mitglieder fielen an der Front oder wurden als vermisst gemeldet. Dem Idealismus und dem unermüdlichen Einsatz von Hugo Hartmann ist es zu verdanken, dass die Kapelle 1946 mit zwölf Musikern wieder auftreten konnte. Und auch in der schweren Zeit des Wiederaufbaus ließen es sich die Musiker bei allen Entbehrungen nicht nehmen, ihr Hobby so gut es ging auszuüben. In der noch jungen Bundesrepublik Deutschland wurde am 24. Mai 1952 das 50-jährige Bestehen des Vereins mit 16 aktiven Mitgliedern und vielen Gästen gefeiert.

 

Parallel zum Aufschwung, den Deutschland als Folge des Wirtschaftswunders erlebte, entwickelte sich in den 1950-er Jahren auch die Musikkapelle Hallenberg rasant weiter und wurde in ihrer Arbeit zunehmend professioneller. Die Auftritte wurden häufiger und anspruchsvoller, und so umrahmten die Musiker eine große Vielzahl von Veranstaltungen. Zudem beschränkten sie sich nicht mehr auf ihren Heimatort, sondern spielten immer öfter auch in der näheren und weiteren Umgebung. Bei der Leitung gab es 1961, ein Jahr vor dem 60-jährigen Jubiläum, den nächsten Wechsel. Otto Winter zeichnete in den folgenden neun Jahren für die musikalischen Geschicke des Ensembles verantwortlich, bevor er von Paul Ante abgelöst wurde.

 

Dass ein traditionell geprägter Verein auch höchst fortschrittlich sein kann, bewies die Musikkapelle Hallenberg im Jahr 1971. Während die Emanzipation des weiblichen Geschlechts in vielen gesellschaftlichen Bereichen nur ganz schleppend voranschritt, traten mit Mechthild Ante und Reinhilde Alberti die ersten Damen in den Verein ein. Schon ein Jahr später folgten ihnen vier weitere Musikerinnen. Da die Blasmusik bis zu dieser Zeit noch weitestgehend eine Männerdomäne war, erregten die Mädels auf jedem Fest die Aufmerksamkeit des Publikums.

 

Einige allzu konservative Musiker, die den Einwand vorbrachten, Investitionen in Ausbildung und Uniformen von Frauen seien nicht lohnenswert, wurden Lügen gestraft, denn auch nach der Heirat und trotz Nachwuchses blieben die Damen dem Verein als aktive Musikerinnen treu.

 

​Neue Stabführung leitet umfassenden Aufschwung ein

Im April 1974 wurde ein neues Gesicht mit der Stabführung betraut. Erich Schroer aus Dortmund hatte Hallenberg und die Kapelle erst über eine Zeitungsannonce des Vereins kennengelernt, doch mit ihm erfuhr die Kapelle einen enormen Aufschwung. Eines der großen Highlights dieser Zeit war die Teilnahme am Bundesmusikfest in Lohne (Oldenburg). Dass der neue Leiter sehr strategisch und – wie man heute sagen würde – nachhaltig dachte, zeigte sich insbesondere in der deutlich intensivierten Jugendarbeit. Erich Schroer gründete, unterstützt durch die Familie Grundhoff aus Hallenberg, ein Jugendblasorchester, das bald ebenfalls zu einer festen und wichtigen Institution der Stadt werden sollte. Währenddessen machte das Hauptensemble musikalisch nochmals einen deutlichen Sprung nach vorn. So ist es kaum verwunderlich, dass sich der Verein eines großen Zulaufs sowohl von Musikerinnen und Musikern erfreute als auch von Freunden und Gönnern. Zum 75-jährigen Jubiläum im Jahr 1977 zählte die Stadtkapelle 24 aktive Musiker, 22 Jungmusiker und 118 passive Mitglieder.

 

Nach all dem, was er für den Verein getan und erreicht hatte, war der plötzliche Tod von Erich Schroer im Jahr 1981 ein Schock für die Mitglieder und für alle, denen das Wohl der Stadtkapelle am Herzen lag. Um das Erreichte zu bewahren und weiter darauf aufzubauen, holte der Verein mit Alfred Brinkmann aus Holzwickede einen sehr erfahrenen Musiker als neuen Leiter. Unter ihm machte das langjährige aktive Mitglied Leo Dworiankin seine ersten Schritte als Dirigent – ein Name, von dem wir im Folgenden noch hören – oder in unserem Fall – lesen werden. Wie schon sein Vorgänger widmete sich Alfred Brinkmann sehr stark der Jugendarbeit und erwarb sich damit große Verdienste. Gesundheitliche Gründe zwangen ihn 1984, die Arbeit im Verein zu beenden. Er verstarb am 11. Januar 1988.

 

Leo Dworiankin begründet eine eigene Ära

Eigengewächs Leo Dworiankin hatte sich mit Talent und viel Ehrgeiz mittlerweile so stark weiterentwickelt, dass er nicht nur das Amt des Dirigenten der Stadtkapelle übernehmen konnte, sondern in der Folge eine eigene, höchst erfolgreiche Ära prägen sollte. Unter seiner Leitung stieg die Zahl der Auftritte weiter an. Das ganze Jahr über sorgten die Aktiven für beste Stimmung auf Festivitäten aller Art. Und auch die Größe des Orchesters wuchs weiter an – erstmals zählte es mehr als 50 aktive Musikerinnen und Musiker. 25 Jahre lang leitete Leo Dworiankin die Stadtkapelle, bevor er auf dem Weihnachtskonzert am 26. Dezember 2005 zum letzten Mal den Taktstock hob. Aus den Händen von Bürgermeister Michael Kronauge erhielt er im Anschluss eine ganz besondere Ehrung im Namen des Volksmusikerbundes: die Landesehrenmedaille Nordrhein-Westfalen – nichts Geringeres als die höchste Auszeichnung für Musiker unter 60 Jahren.

 

Nach so guten Erfahrungen mit der aus den eigenen Reihen rekrutierten Führungskraft lag es auf der Hand, das Erfolgsrezept erneut anzuwenden, und mit Matthias Menzel war rasch ein kompetenter Nachfolger für Leo Dworiankin gefunden. Auch Matthias verstand es, der Stadtkapelle Hallenberg seinen Stempel aufzudrücken. Mit ihm nahmen die Musikerinnen und Musiker unter anderem am Wertungsspiel 2018 in Schmallenberg teil, was eine sehr intensive Vorbereitungs- und Probenzeit erforderlich gemacht hatte. Das gilt auch für die Schützenfeste in Düdinghausen, Langewiese und Medelon, bei denen der Auftritt der Musikerinnen und Musiker aus Hallenberg einer der Publikumsmagneten war und ist. 

 

Weil in der Gemeinschaft Vieles leichter ist, erhielt Matthias Menzel im Laufe der Zeit tatkräftige Unterstützung von Vanessa Ante und Frank Reese, bevor die beiden im Jahr 2021 selbst die Leitung des Orchesters übernahmen. Und weil jeder Dirigent im Laufe der vielen Jahre und Jahrzehnte seinen Beitrag zur Erfolgsgeschichte des Vereins beigetragen hat, lassen sich auch die beiden “Neuen” nicht lumpen und führen ihre Stadtkapelle zu neuen und größeren Ufern. Das bestätigt sich allein schon beim Blick auf die Mitgliederzahlen: Rund 70 aktive Musikerinnen und Musiker sind es mittlerweile – Frauen und Männer im Alter von 16 bis 77, deren Repertoire neben der üblichen Blasmusik für Märsche und böhmische Unterhaltung auch Stücke aus Schlager, Pop und Rock für den Bereich Tanzmusik, auch ein großes Spektrum sinfonischer Musik umfasst.

 

Engagiert in Uniform und “Blaumann”

Doch nicht nur die Virtuosität liegt dem jungen Führungsduo am Herzen. Regelmäßig tauschen sie und ihr Team die Uniform gegen Arbeitskittel und "Blaumann" und heben mit freiwilligen Arbeitseinsätzen das vereinseigene Musikhaus auf ein zeitgemäßes und sehr modernes Niveau. Davon profitiert sowohl das “große” Orchester als auch der Nachwuchs, denn beide Ensembles verfügen über mustergültige Proberäume für beste Lernerfolge.

 

Und weil das unter diesen idealen Bedingungen so richtig Spaß macht, proben wir jeden Freitag von 20 bis – mindestens – 22 Uhr, um für unsere zahlreichen Auftritte ein abwechslungsreiches und qualitativ hochrangiges Programm bieten zu können. Zu den Höhepunkten in unserem Terminkalender zählen mehrere große Schützenfeste sowie unser traditionelles Weihnachtskonzert in der Schützenhalle Hallenberg.

 

Tradition und Zukunft verbinden

Bei allem, was wir heute tun, ist unsere Motivation dieselbe wie die, die vor mehr als 120 Jahren Hubert Guntermann und seinen Mitstreitern Freude und Antrieb gab: “Die Freundschaft zu binden und das Leben der Mitmenschen zu erheitern“.